Debian vs. Mozilla oder: Namen sind Schall und Rauch

In Debian GNU/Linux heißt der Mozilla-Mailer Thunderbird jetzt Icedove, die Umbenennung von Firefox in Iceweasel dürfte folgen. Vorausgegangen war eine monatelange Debatte zwischen den Debian-Entwicklern und der Mozilla Corporation.

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Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Dr. Oliver Diedrich

Das Debian-Projekt hat sehr genaue Vorstellungen davon, welche Rechte an einer Software der Anwender haben muss, damit diese Software als frei genug für die Debian-Distribution gilt. Sie sind im Debian Social Contract festgelegt, der auch die Grundlage der Open-Source-Definition der OSI bildet. Dabei handelt es sich im wesentlichen um die Freiheiten, die auch die General Public License der Free Software Foundation (FSF) garantiert: unbeschränkte Weitergabe im Original und verändert als Binary und im Quellcode sowie der Verzicht auf die Diskrimierung von Anwendergruppen oder Einsatzbereichen.

Diese Freiheiten stellen sicher, dass die Debian GNU Linux – die wichtigste der nicht direkt von einer Firma unterstützten freien Linux-Distributionen – als Ganzes frei bleibt. Diese Freiheit ist ein wichtiger Grund, warum Debian gerne als Grundlage spezieller Distributionen wie Knoppix, Ubuntu oder dem c't-Server verwendet wird: Solange man nur Software aus dem Debian-Pool verwendet, muss man sich über mögliche Lizenzverstöße keine Gedanken machen.

Ein weiterer Grund für die Beliebtheit von Debian GNU/Linux ist die Stabilität und Ausgereiftheit der Distribution, die durch Hunderte freiwilliger Maintainer gewährleistet wird. Sie pflegen – überwiegend in ihrer Freizeit – einzelne Programmpakete in die Distribution ein, halten sie auf dem aktuellen Stand und beheben Fehler darin. Gerade bei den Fehlerkorrekturen sind die Debian-Entwickler manchmal schneller als die Softwareentwickler selbst.

Auch die Mozilla-Anwendungen Firefox und Thunderbird sind Bestandteil von Debian GNU/Linux. Wie bei anderen Programmen auch, hat das Debian-Team auch an den Quelltexten des Browsers und des Mail-Clients einige kleine Fehlerkorrekturen vorgenommen und die Anwendungen neu kompiliert. Außerdem wurden andere Logos eingebaut, weil die Mozilla Corporation, Hersteller der beiden Programme, ein Markenrecht an den Logos hält und Änderungen daran verbietet – was im Widerspruch zu den durch den Debian Social Contract garantierten Freiheiten steht.

Mit dem geänderten Logo ist allerdings die Mozilla Corporation, Hersteller der beiden Programme nicht einverstanden. Sie sieht dadurch ihre Wort-Bild-Marke, bestehend aus der Kombination von Programmname und Logo, verletzt sieht. Die Mozilla Public License (MPL 1.1), die die Veränderung und Weitergabe des Programmcodes regelt, nimmt Fragen des Markenrechts ausdrücklich aus.

Auch patchen die Debian-Entwickler den Firefox- und Thunderbird-Code. Die Mozilla Corporation setzt in ihren Markenrechtsbestimmungen jedoch enge Grenzen für die erlaubten Modifikationen, soll das Programm anschließend noch den Original-Namen tragen. Die Debian-Versionen sprengen nach Ansicht der Mozilla Coporation den zulässigen Rahmen, ihre Verbreitung ist in dieser Form nicht gestattet.

Mike Schroepfer, Vizepräsident der Mozilla Corporation, erklärte dazu in einem Interview gegenüber Internetnews.com, dass er mit der Situation nicht glücklich ist – schließlich ist Mozilla stolz auf seine Open-Source-Wurzeln, und das Debian-Team gehört in der Open-Source-Welt fraglos zu den Guten. Aber Schroepfer hat auch ein Problem: "Wir unterliegen gewissen Zwängen und Regeln, die wir beachten müssen, um unsere Markenrechte zu verteidigen".

Die Debian-Entwickler, so Schroepfer, würden zudem ihre Patches nicht zur Begutachtung vorlegen. Die Mozilla Corporation besteht jedoch auf einer solchen Kontrolle, sollen die geänderten Programmversionen unter dem Original-Namen weiterverbreitet werden: Das Unternehmen will verhindern, dass möglicherweise fehlerhafte Versionen ihrer Programme den guten Namen der Mozilla-Produkte beflecken.

Und die Konsequenz aus all dem? Auf der einen Seite die Position der Mozilla Corporation: Wenn Firefox drauf steht, soll auch Firefox drin sein und es nach Firefox aussehen. Das Debian-Team auf der anderen Seite möchte sich weder beim Patchen einschränken lassen noch ein Logo verbreiten, dass aufgrund von Markenrechten nicht den Debian-Ansprüchen genügt. In längeren Debatten hat man offenbar nur eine Lösung gefunden: Firefox und Thunderbird erhalten in Debian GNU/Linux neue Namen – Iceweasel und Icedove. Im Unstable-Zweig der Distribution taucht der Mozilla-Mailer bereits als Icedove auf, das Thunderbird-Paket bleibt nur noch übergangsweise erhalten.

Leidtragender bei der ganzen Geschichte ist letztlich der Anwender, der sich möglicherweise daran gewöhnen muss, dass die gleiche Software in verschiedenen Umgebungen unterschiedliche Namen trägt. Denn wenn Debian den Namen ändert, wird so manche Debian-basierte Distribution nachziehen. Oder gleich ein eigenes Paket mit einem neuen Namen bauen. (odi) (odi)